Wenn sie älter ist als er, sorgt das noch immer für Irritationen. Warum eigentlich?
Joséphine de Beauharnais toppte ihren Ehemann Napoleon Bonaparte um zarte 6 Jahre. Katharina die Große ihren Liebhaber Grigory Potemkin um immerhin 10. Und Diana von Poitiers ihren einstigen Schützling und späteren Geliebten Heinrich II. sogar um stolze 20 Lenze.
Die Kombination ältere Frau, jüngerer Mann war schon immer existent – wenngleich sie eine gesellschaftliche Randerscheinung blieb. Allen Anfeindungen und Stigmatisierungen der jeweiligen Zeit zum Trotz war das „Cougartum“, wie das Phänomen heute genannt wird, seit Anfang der Geschichtsschreibung präsent; und damit keine Entwicklung der Neuzeit.
Statistiken zufolge ist mittlerweile schon in jeder vierten Ehe die Frau älter als ihr Partner
Was Adelsdamen, Regentinnen, aber auch bürgerliche Frauen in der Vorzeit oftmals heimlich, seltener „öffentlich“ auslebten, führten im 20. Jahrhundert Schauspielerinnen und Künstlerinnen fort – und das dann meist schlagzeilenträchtig. Edith Piaf und Yoko Ono liebten jüngere Männer; spätere Ikonen wie Tina Turner und Madonna taten es ihnen gleich. Wenngleich keine von ihnen die legendäre Mae West übertrumpfen konnte, die sich zu Liebhabern bekannte, deren Alter schon mal deutlich mehr als drei Jahrzehnte unter ihrem eigenen rangieren konnte.
Heute leben Frauen wie Iris Berben, Elke Heidenreich und auch Heidi Klum dieses Partnerschaftsmodell vor – und sind dabei nur die prominenten Repräsentantinnen eines Trends, der sich allmählich in der Gesellschaft verfestigt. Denn Statistiken zufolge ist mittlerweile schon in jeder vierten Ehe die Frau älter als ihr Partner.
Soziologen machen den emanzipatorischen Wandel für das Phänomen verantwortlich; Frauen sind heute eigenständiger als früher, im Job erfolgreich und damit finanziell oftmals unabhängig. Das steigert das Selbstbewusstsein und den Mut, neue Lebenswege zu beschreiten. Und das geht dann häufig besser mit einem Partner, der noch nicht so festgefahren und saturiert, sondern neugierig, leidenschaftlich und offen ist – kurz gesagt: der jüngere Mann.
Die jungen Männer der Jetztzeit sind älteren Frauen gegenüber deutlich aufgeschlossener
Auch physisch betrachtet, machen solche Verbindungen Sinn; denn während Frauen ihre sexuelle Hochphase in den 40ern haben, nimmt die Libido bei Männern ab Mitte 30 kontinuierlich ab. Der Endzwanziger und die 40+ Kandidatin sind also, um ein kleines Wortspiel zu wagen, nahezu „deckungsgleich“.
Die jungen Männer der Jetztzeit sind zudem älteren Frauen deutlich aufgeschlossener als ihre Vätergeneration. Dabei suchen sie in einer reiferen Frau aber nicht etwa die Mutter oder Versorgerin, sondern vielmehr eine selbstbewusste, lebenskluge Partnerin, die sie anspornt und sinngemäß auf Augenhöhe holt.
Wenn das Alter zwischen uns kein Thema ist, warum tangiert es dann die anderen?
Viele gute Argumente also; und dennoch werden diese Beziehungen immer noch anders betrachtet als das seit Jahrtausenden approbierte Schema „älterer Mann, junge Frau“.
Was hier eine Selbstverständlichkeit ist, sorgt im umgekehrten Fall noch immer für Erstaunen, in vielen Fällen sogar für Skepsis, Kritik und Ablehnung.
Viele Paare mit dem besagten Altersunterschied berichten von gravierenden Schwierigkeiten, das Umfeld auf die Beziehung einzustimmen. Scheele Blicke, Getuschel und süffisante Kommentare führen zu einer Verunsicherung, die trotz allen Selbstbewusstseins und aller Souveränität stressen und auch schmerzen kann. Und zudem auch Spannungen zwischen dem vermeintlich ungleichen Paar heraufbeschwört – frei nach dem Motto: Wenn das Alter zwischen uns kein Thema ist, warum tangiert es dann die anderen…?
Das birgt Konfliktpotenzial. Denn je irritierter wir ob der Reaktionen aus unserem Umfeld erscheinen, desto mehr hinterfragen wir die Beziehung, uns selbst und den Partner.
Gedankenspiele wie: „Macht das alles überhaupt Sinn? Haben wir tatsächlich die Chance auf eine gemeinsame Zukunft? Liebe ich wirklich ihn, oder doch eher seine Jugendlichkeit? Was ist, wenn er Kinder will?“ stellen sich ein.
Jede Beziehung hat ihre ganz eigenen Hürden
Kein Grund zu verzagen. Oder gar zu resignieren. Denn jede Beziehung hat ihre ganz eigenen Hürden. Die Partnerschaft mit einem deutlich älteren Mann führt uns schließlich auch vor viele Fragen. Und die Beziehung zu einem Gleichaltrigen mit Familienanhang ebenso.
Die alles entscheidende Frage lautet also vielmehr: Ist er der Mann, für den ich etwas wagen will? Für den ich Kompromisse eingehe? Den ich auch mittel- und langfristig an meiner Seite sehe? Die Antworten darauf haben tatsächlich nichts mit dem Alter zu tun. Denn letzten Endes ist das Alter doch nur eine Zahl, die nichts über unsere Gefühle, unsere Aufrichtigkeit und unseren Charakter aussagt.
Höchste Zeit also, die leidige Altersdebatte in Herzensangelegenheiten endlich ad acta zu legen…!
In diesem Sinne: Prosit Neujahr – auf ein verliebtes Jahr 2016!
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