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Muttertag

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Für viele ein Freudentag, für manche jedoch das pure Grauen. Denn es gibt da auch Mütter, die sich nur schwer glorifizieren lassen…
Mit Gedenktagen ist das so eine Sache: Entweder sie sind seit Generationen etabliert und werden allgemein geschätzt und beherzigt. Oder sie wirken arg inflationär und künstlich, wie man beispielsweise am Tag des deutschen Butterbrots (30. September) oder dem Tag der Jogginghose (21. Januar) ersehen kann. Doch egal, ob vermeintlich sinnvoll und seriös oder skurril bis überflüssig – jeder hat das Recht seiner individuellen Vorlieben oder seiner Lieblingsmenschen zu gedenken, wann auch immer. Zumal es Wirtschaft, Industrie und Einzelhandel nachhaltig unterstützen kann, siehe den herannahenden Muttertag.
 

Kaum jemand wagt es, diesen Tag und die damit verbundene Geschenkepflicht zu ignorieren

 
Da werden sich Floristen und Parfümerien, genauso wie Tankstellen und Supermärkte für den spontanen Blumen- und Pralineneinkauf wieder herzlich über ein reges Umsatzplus freuen. Denn kaum jemand wagt es, diesen Tag und die damit verbundene Geschenkepflicht zu ignorieren. Mütter gelten, in den meisten Fällen wohl auch völlig zu Recht, als wertvolle, im wahrsten Sinne des Wortes denkwürdige Stützen unserer Familien und damit der ganzen Gesellschaft. Doch leider wohnt nicht jeder Mutter ein liebendes, aufopferndes Wesen inne; wovon nicht nur die Autorin dieser Zeilen zu berichten weiß, sondern auch viele andere Menschen. Allerdings gilt es immer noch als Tabu, die eigene Mutter außerhalb der eigenen vier Wände zu kritisieren oder gar als etwas darzustellen, was explizit nichts mit Mütterlichkeit zu tun hat. Die Mutter war, ist und bleibt der heilige Gral im öffentlichen Kanon – ungeachtet ihrer tatsächlichen Qualifikationen als Beschützerin, Erzieherin, Vorbild und Leitfigur.
 

Über das Unvermögen, Liebe zeigen oder geben zu können

 
Es gibt aber eben auch „Mütter“, die anders sind; dabei müssen sie nicht zwangsläufig gewalttätig, offensiv bedrohlich oder ultrastreng sein. Nein, die Rede ist hier von seelischen Grausamkeiten, die sich in mannigfaltiger, oftmals sehr diffuser Art äußern können. Zum Beispiel durch das Unvermögen, Liebe zeigen oder geben zu können. Physische Nähe zuzulassen. Sich schützend vor und hinter sein Kind zu stellen, wenn es Probleme hat oder Orientierung und Halt sucht. Sich selbst in eine stete Opferrolle zu begeben und dem Kind damit implizit einen fortwährenden Schuldkomplex aufzuladen. Sich selbst immer in den Mittelpunkt zu stellen und das Kind somit in seiner Persönlichkeit zurückzudrängen. Es ist nicht zu trösten, wenn es krank ist, sondern ihm das Gefühl zu geben, es sei dysfunktional.
Solche Mütter gibt es – sie sind Einzelfälle, aber am nahenden Muttertag sollte es erlaubt sein, auch einmal über diese dunkle Seite der Mutterschaft zu sprechen. Über Narzisstinnen, Egomaninnen, Gefühlskrüppel und Energie-Vampirinnen.
 

Sie ist Borderlinerin

 
Ich selbst habe jahrzehntelang unter einer solchen Mutter gelitten, wenngleich es erst seit einiger Zeit einen Namen für das Verhaltensmuster meiner Mutter gibt: Sie ist Borderlinerin. Also eine Person, die emotional und zwischenmenschlich äußerst instabil ist, begleitet von paranoiden Phasen und dissoziativen Symptomen. Leider negiert sie ihre Krankheit – und erklärt einfach ihr gesamtes Umfeld, inklusive uns, ihre Familie, für „gestört“. Sie weigert sich – entgegen unseres als auch des Rates ihrer Ärzte – psychologische Hilfe anzunehmen. Womit uns, die wir über Jahre in die unfreiwillige Rolle der Therapeuten und Psychiater gedrängt wurden, die Hände gebunden sind.
Ob wir Mitleid mit ihr haben? Bedingt. Denn Borderliner wie meine Mutter kennen selbst keine Empathie, sind affektiv, hysterisch und völlig inkonsequent und unzugänglich in ihren Reaktionen. Das macht es schwer bis unmöglich ihnen Verständnis entgegenzubringen. Von Gelassenheit, Souveränität oder gar Wärme ganz zu schweigen.
 

Der obligatorische Anruf und Blumenstrauß

 
Ich kenne meine Mutter seit Kindertagen nur als Frau, die ich distanziert wahrnahm, weil sie mir selbst immer mit äußerster emotionaler Distanz begegnete, stattdessen aber stets Kritik übte. Lamentierte. Uns, d.h. meinen Bruder und mich, mit Missachtung und bewusstem Liebesentzug strafte. Biologisch mag sie meine Mutter sein – auf der geistigen oder seelischen Ebene ist sie es bis heute leider nicht gewesen. Und wird es wohl auch niemals sein, obwohl ich immer wieder um ihre Liebe und Anerkennung buhlte. Das habe ich aufgegeben; weil es zu nichts führt.
Dennoch bringe ich ihr keine Verbitterung entgegen. Stattdessen bekommt auch sie am Muttertag den obligatorischen Anruf und einen Blumenstrauß. Darauf legt sie nämlich gesteigerten Wert; und wir fügen uns, schließlich will man den nächsten Wutanfall, paranoide Attacken und invalide Anschuldigungen a priori vermeiden. Was Blödsinn ist, aber in dieser verlogenen Vermeidungsstrategie ergehen wir uns seit Jahren.
 
Muttertag? Für mich definitiv kein verdienter Gedenktag. Da freue mich dann lieber auf den „Ohne Socken-Tag“. Der findet nämlich in diesem Jahr zeitgleich mit dem Muttertag am 8. Mai statt. Und bietet mir, einer bekennenden Nicht-Strumpfträgerin und Strumpfhosen-Agnostikerin ungleich mehr Identifikationsfläche…
 
Bildquellennachweis:
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